3 Min. Lesezeit • von Alexander Saurwein • am 09.08.2025
Seit dem 1. Oktober 2023 ist das CO₂-Grenzausgleichssystem (CBAM) in Kraft. Bis Ende 2025 dient es als reine Reportingpflicht: Importeure müssen die grauen Emissionen ihrer Aluminiumwaren melden – sofern sie diese Informationen überhaupt bekommen. Ab 2026 fallen dann echte Kosten an, denn dann wird der Erwerb von CBAM-Zertifikaten Pflicht (International Aluminium Journal DE).
Statt klar definierter Einkaufspreise im Jahr 2026 stehen wir vor einem Preisroulette: Da die CBAM-Zertifikate zu einem unbekannten Durchschnittspreis der EU-Emissionsrechte gehandelt werden, können Unternehmen ihren Einkaufspreis erst nachträglich kalkulieren – nämlich im Jahr 2027. Ein Albtraum für jeden Kaufmann, der kaufmännische Vorsicht großschreibt. Es entsteht ein unkalkulierbares Risiko für Margen- und Budgetplanung.
Laut Einschätzungen ist im Berichtsjahr 2024 weniger als 10 % der importierenden Betriebe den Reportingpflichten nachgekommen – viele wussten schlichtweg nicht, was da auf sie zukommt. Und was passiert, wenn nicht zugelassene Importeure versuchen, CBAM-Ware in die EU einzuführen? Ab 2026 ist eine Zulassung als CBAM-Anmelder Pflicht – sonst bleibt der Zoll stehen oder die Ware wird abgewiesen. Die Sicherheitssysteme sind vorbereitet auf Nichtregistrierte = Kein Import (KPMG).
Unvermeidlich: Einkaufsentscheidungen verschieben sich hin zu Herstellern innerhalb Europas. Das macht doppelt Sinn: Preisstabilität und klare CO₂-Kostenrechnung. Gleichzeitig müssen Produktionen in Drittstaaten mit hoher Emissionsintensität Federn lassen oder gar stillgelegt werden.
Zwar sprechen vorsichtige Modellrechnungen von einem Rückgang der EU-Importe von Aluminium um rund 4 % bis 2030, doch das ist nur ein theoretischer Mindesteffekt – gerechnet unter der Annahme, dass alle Marktteilnehmer perfekt vorbereitet sind. In der Realität kann der Einbruch deutlich zweistellig ausfallen, weil:
Viele Importeure ab 2026 schlicht nicht zugelassen sind und ihre Ware gar nicht einführen dürfen.
Preisunsicherheit (Einkaufspreis erst 2027 bekannt) Unternehmen zu vorsichtiger Beschaffung zwingt.
Große Einkäufer abrupt auf EU-Lieferanten umschwenken, um Risiken zu vermeiden.
CO₂-intensive Produktionen in Drittstaaten aufgrund der Zusatzkosten sofort unrentabel werden.
Das Resultat: Ein spürbarer Strukturwandel in den Warenströmen – mit massivem Vorteil für europäische Produzenten und entsprechenden Konsequenzen für internationale Lieferketten.
Wenn Hersteller in Drittstaaten an Volumen verlieren und europäische Einkäufer verstärkt auf lokale Lieferanten setzen, droht eine knappe Versorgung. Europa kämpft schon jetzt mit begrenzter Primäraluminium-Kapazität – knapp 2 Drittel des Bedarfs müssen bisher importiert werden (S&P Global). Mehr Nachfrage ohne entsprechende Kapazitätssteigerung führt unweigerlich zu Preisschüben, Engpässen und möglicherweise Überlastung der bestehenden Anlagen.
CBAM ist gut gemeint – Klimaschutz, Wettbewerbsgerechtigkeit und so. Aber in der Praxis gleicht es einem Bürokratie-Tsunami: Unsichere Preise, halbblinde Marktteilnehmer, plötzlich verschobene Lieferketten und eine europäische Industrie, die sich anstrengen muss, den steigenden Bedarf zu decken.